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Die Eltern können jetzt in Würde Abschied nehmen

Aachen. Umgeben von alten Bäumen und Sträuchern strahlt dieser Ort eine wunderbare Ruhe aus. Ein Refugium zum stillen Gedenken, Innehalten und Atem holen. Hier, inmitten des Westfriedhofes I, wurde jetzt ein Gräberfeld für Kinder eingeweiht, die von den Behörden als «nicht bestattungspflichtig» bezeichnet werden. Damit sind Totgeborene gemeint, deren Geburtsgewicht weniger als 500 Gramm beträgt. Sie wurden bislang in ihrer Mehrzahl gemeinsam mit den Anatomieleichen des Klinikums beerdigt.

Diese Zeremonie findet jedoch nur einmal jährlich statt. Dabei wurden alle Föten in einem Sarg gesammelt bestattet. Nicht selten landeten die gestorbenen Kinder aber auch mit anderem organischen Material im Müll der Krankenhäuser.

Geige
Feierliche Einweihung des Gräberfeldes für nicht bestattungspflichtige Kinder auf dem Westfriedhof I: Zahlreiche Besucher lauschten dabei dem Geigenspiel von Michael Palm. Foto: Michael Jaspers

Gegen diese Praxis regte sich in den vergangenen Jahren zunehmend Widerstand. Treibende Kraft dabei war der Verein «Verwaiste Eltern», in dessen Gruppen Betroffene sich austauschen und gegenseitig unterstützen können.Der Wunsch, auch die kleinsten Geschöpfe nach Tot- oder Fehlgeburt in einer würdevollen Weise zu beerdigen, wurde immer größer.

Gerda Palm, Trauerbegleiterin beim Verein «Verwaiste Eltern», dankte bei der Einweihung des Gräberfeldes am Westfriedhof der «sehr kooperativen und unbürokratischen Verwaltung» sowie vielen engagierten Aachenern dafür, dass mittlerweile auf fünf städtischen Friedhöfen (Waldfriedhof, Westfriedhof I sowie die Friedhöfe Hüls, Lintert und Laurensberg-Hand) Bereiche für nicht bestattungspflichtige Kinder angelegt wurden.

Palm: «Langfristig möchten wir erreichen, dass kein menschliches Leben, egal wie klein, egal wie zerbrechlich, als ‚Abfall‘ entsorgt wird.»

Dieser Platz solle ein Ort sein, an den Eltern ihre Trauer tragen könnten, «eine Trauer, die vielfach nicht verstanden, nicht akzeptiert wird angesichts des verborgenen Lebens und Sterbens im Mutterleib».

Es solle ein Asylort sein «für alles, was sonst totgeschwiegen, unterdrückt, überspielt oder von der Gesellschaft verdrängt wird».

Der katholische Pfarrer Peter Blättler, der gemeinsam mit der evangelischen Klinikseelsorgerin Sabine Hölzer-Pöll das Gräberfeld einsegnete, nannte den neuen Friedhofsbereich für nicht bestattungspflichtige Kinder einen echten «Fortschritt in Richtung einer menschenwürdigen und menschenfreundlichen Gesellschaft».

Gerda Palm wies darauf hin, dass auf dem Westfriedhof und dem Friedhof Hüls Gedenkstätten für die in der Vergangenheit nicht bestatteten fehl- und tot geborenen Kinder entstehen sollen.

Es gibt bereits Kontakte zu Künstlern, die hierzu eine Skulptur schaffen könnten. Für dieses Projekt fehlen aber noch Sponsoren.

Am Rande der Veranstaltung teilte Gerda Palm mit, dass ihre Arbeit für den Verein «Verwaiste Eltern» als Trauerbegleiterin unterschiedlichster Zielgruppen nur noch bis Ende dieses Jahres gesichert ist. Derzeit wird ihre Tätigkeit aus Erträgen der ARD-Fernsehlotterie bezuschusst. Die Zuweisung des Geldes war jedoch auf drei Jahre begrenzt. Wenn keine andere Möglichkeit der Finanzierung gefunden wird, verlöre die Aachener Region eine wichtige Anlaufstelle für Menschen, die nach dem Tod eines Angehörigen, besonders nach dem frühen Tod eines Kindes, Beratung, Betreuung und Austausch suchen.

Weitere Infos im Internet: www.verwaiste-eltern-aachen.de

Von Ralph Allgaier, Aachener Zeitung