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Trauerarbeit: „Alles ist besser als Schweigen“

Aachen. Denkt man an eine Trauergruppe, so stellen sich die meisten Menschen weinende Angehörige in einem dunklen Raum vor. Die Realität sieht bei der Gruppe des Vereins „Verwaiste Eltern Aachen“ allerdings anders aus.

Der Verein besteht aus Frauen und Männern, die durch den tragischen Verlust eines Kindes zusammen gefunden haben. Vor 20 Jahren wurde der Verein gegründet, der sich schnell auf die sogenannten frühverwaisten Eltern fokussierte.

„Damals gab es ein solches Angebot nicht. Man konzentrierte sich mehr auf die Eltern, die ältere Kinder verloren hatten“, erzählt Gerda Palm, die selbst betroffen und als ausgebildete Trauerbegleiterin seit 28 Jahren Trauergruppen begleitet, und die seit Beginn an für den Verein tätig ist. Seit dem ist auch durch den Einsatz der Mitglieder viel zum Thema verwaiste Eltern passiert, auch die Gesetzeslage hat sich geändert.

„Früher wurden Kinder, die zum Todeszeitpunkt unter 1000 Gramm wogen, einfach entsorgt. Es wurde sehr dafür gekämpft, dass auch diese Kinder ordentlich bestattet und in das Familienstammbuch eingetragen werden können“, sagt Petra Schmitz, Vorsitzende des Vereins.

Die Erfahrungen austauschen

Die Trauergruppe trifft sich alle 14 Tage für zwei Stunden. Diese Zeit nutzen alle Teilnehmer intensiv, um ihre Trauer zu verarbeiten. Betroffene wissen genau, wie wichtig es ist, über die Trauer zu sprechen.

„Die Trauer macht einen krank, wenn man das Geschehene totschweigt. Außerdem ist es sehr wichtig mit jemandem darüber zu sprechen, der das Gleiche erlebt hat. Jemand, der diese Trauer nicht kennt, kann sie auch nicht nachvollziehen“, so eine betroffene Mutter. Im Gegenteil – aus Hilflosigkeit wissen Angehörige und Freunde oft nicht, wie sie mit dem Thema umgehen sollen, und schweigen einfach darüber.

Tabuisieren hilft nicht

Auch diesem Phänomen der Tabuisierung möchte der Verein entgegenwirken.

„Die meisten verstehen einfach nicht, was dieser Verlust bedeutet. Für das Umfeld hat sich in diesem Moment nicht direkt etwas geändert, denn sie kannten das Kind ja noch nicht“, so Palm.

Dabei sind sich alle Mitglieder einig: Nichts ist schlimmer, als das Thema einfach zu ignorieren. Dieses Verhalten führt nämlich dazu, dass die Eltern sich allein gelassen fühlen. „Selbst der Satz ‚Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll‘ hilft einem sehr viel mehr als das Schweigen“, verdeutlichen die Trauernden. Aber auch einfach nur zuhören kann helfen.

Super Sonntag Artikel Gruppe
Super Sonntag Aachen, 6. Dezember 2015

Alle eineinhalb Jahre veranstaltet „Verwaiste Eltern Aachen“ in Gedenken an die verstorbenen Kinder einen Gottesdienst, bei dem die Namen all dieser Kinder während der Messe vorgelesen werden. Zudem wird dort für jedes verstorbene Kind eine Kerze angezündet.

Die Trauergruppe trifft sich alle 14 Tage, von 20 bis 22 Uhr im Gemeindezentrum Philipp Neri am Philipp Neri Weg. Dort werden in einem geschützten Raum Erfahrungen der Betroffenen ausgetauscht und Trauerarbeit geleistet.

Niemand ist allein

Es werden aber auch Themen angesprochen, die den Eltern auf der Seele liegen, wie zum Beispiel der Einfluss der Trauer auf die Partnerschaft. Denn häufig fühlen sich Partner in dieser Situation alleine. Besonders für Männer ist diese Gruppe wichtig, weil sie vom Umfeld oft vergessen werden. Der Zustand der Partnerin steht bei den meisten im Vordergrund, ohne sich vor Augen zu führen, dass auch der Mann ein Kind verloren hat.

Den Teilnehmern soll hier ein Stück Normalität ermöglicht werden. Wer der Gemeinschaft beitreten möchte, wird von Gerda Palm zunächst in einem Vorgespräch auf die Gruppe vorbereitet, denn die am Anfang genannte Vorstellung einer Trauergruppe ist weit verbreitet.

Der Verein bietet auch Einzelberatungen an, und hat eine Betreuungsgruppe gegründet. Diese Gruppe besteht aus Betroffenen, die bei Bedarf in Krankenhäuser gehen, um Menschen zu betreuen, die unmittelbar vorher ein Kind verloren haben.

„Das Krankenhauspersonal hat für die einfühlsame Betreuung nicht immer die notwendige Zeit und auch oft nicht die erforderliche Erfahrung. Mit Betroffenen zu sprechen, ist in dieser Situation meist besonders hilfreich, erklärt Schmitz.

Richtig Abschied nehmen

Dabei werden oft Fragen zur Bestattung beantwortet, aber auch Hilfestellungen gegeben, z.B. wie man den Abschied vom toten Kind erleben und gestalten kann.

Die Krankenhäuser kontaktieren in solchen Fällen Gerda Palm, die aus der Betreuungsgruppe die geeignete Person aussucht, also jemanden, der einen ähnlichen Fall erlebt hat.

Zudem bietet der Verein Eltern an, an der Gedenkstätte am Westfriedhof einen Erinnerungsstein für das verstorbene Kind anzubringen.

Auch werden sozial schwache Familien finanziell unterstützt, damit sie die Beratungsangebote wahrneh-
men können. Angehörige von Betroffenen können sich ebenfalls beraten lassen, um den Umgang miteinander zu verbessern.

Dieses Angebot gilt auch für verwaiste Eltern, die das Kind schon vor längerer Zeit verloren haben.

Am weltweiten Gedenktag für alle verstorbenen Kinder, am kommenden Sonntag, wird der Verein eine große Gedenkanzeige an dieser Stelle veröffentlichen. Daran wird erkennbar, dass auch die früh verstorbenen Kinder einen bleibenden Platz in den Herzen ihrer Familien behalten.

Der Verein freut sich über jede Unterstützung und Spenden, damit Betroffenen weiterhin eine Anlaufstelle haben, in der sich um sie gekümmert wird.

Weitere Informationen finden Interessierte im Internet unter www.verwaiste-eltern-aachen.de.

Maribel Porras, Super Sonntag Aachen